Sculpture 21st: Flaka Haliti

Laufzeit: 28. November 2025 bis 8. März 2026

Eröffnung: Donnerstag, 27. November, 19 Uhr

Die 1982 in Prishtina (Kosovo) geborene Künstlerin Flaka Haliti gehört zu den profiliertesten und eigenwilligsten Künstlerinnen ihrer Generation. Im letzten Jahrzehnt hat sie eine unverwechselbare Bildsprache entwickelt, die aus dem reichen Formenrepertoire der Skulptur, der Fotografie, der Architektur und der Installationskunst schöpft. Mit konzeptueller Präzision und großer Imaginationskraft wählt sie Materialien (oft aus unserer Alltagswelt) und fügt sie scheinbar leichthändig zu immersiven Inszenierungen zusammen.

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Flaka Haliti, Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay) #3 (vorne) und #2 (hinten), 2019, Foto: Fabian Strauch. Courtesy the artist and Deborah Schamoni

Für die Besucherinnen und Besucher des Lehmbruck Museums erschafft sie ein Raum-Ensemble, das für die Architektur im wahrsten Wortsinn geschaffen ist und zugleich einen Kontrapunkt setzt: Trotz der transparenten gläsernen Hüllle der Architektur grenzt sich das Werk von seiner Umgebung ab. Die Installation definiert einen inneren Bereich, den die Betrachtenden erkunden können. Die dabei zu entdeckenden skulpturalen Elemente vereinen verschiedenste Gegensätze in sich – das Vertraute und das Fremde, das Alte und das Neue, das Technoide und das Menschengemachte überbrücken verschiedene Zeiten und verbinden sich im Raum zu einem raumgreifenden Gesamtwerk.

Höhepunkt der Präsentation ist eine Neuproduktion der Künstlerin: Fenster eines ehemaligen Militärhangars der KFOR (Kosovo Force) werden in silbern schimmernde Stahl- und Aluminiumkonstruktionen gefasst und erheben sich zu überlebensgroßen Lichtskulpturen im Raum. Heute ist ebendieser ehemalige Militärstandort der Sitz der Kulturinstitution Autostrada Biennale Hangar – so fungieren die Werke als ein Sinnbild für Veränderung: Sie erinnern uns an die jüngste Vergangenheit, die bis in die Gegenwart hinein wirkt. Auch wenn sich ihr militärischer Ursprung erst nach und nach erschließt, ist er deutlich spürbar. Die Künstlerin transformiert das Material und verwandelt es in etwas Neues, das viele Bedeutungen in sich trägt.  

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Flaka Haliti, Every window thinks of itself as an opening, 2025, Foto Fabian Strauch. Courtesy the artist, Christine König and Deborah Schamoni

Auch in ihrer Werkreihe “Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay)“ (zu Deutsch: „Ihre Dringlichkeit ging im Rückwärtsgang verloren (während sie sich in ständiger Verzögerung befand)“) widmet sich Haliti den bis heute anhaltendenden Spannungsverhältnissen in ihrer Heimat Kosovo. Erneut nutzt sie Überreste aufgegebener Militärlager der KFOR und verwandelt sie in farbenfrohe Skulpturen. Dem Müßiggang frönend scheinen sich die zwei Roboter an ihren eigentlichen Zweck nicht zu erinnern. Nur das Material selbst, unter greller Farbe getarnt, verweist auf seine militärische Vergangenheit – nun jedoch in freundlicher, humorvoller Form. In einem scheinbar virtuellen Raum platziert, eröffnen die Skulpturen Momente der Leichtigkeit. Schimmernde Flügel, die an Engelsdarstellungen der Renaissance erinnern, verstärken das Bild und eröffnen gleichzeitig einen Moment der Hoffnung.

Haliti stellt die Verbindung zwischen Ästhetik und Kriegsführung her und übt Kritik an dem globalen Narrativ von Macht und Dominanz. Geprägt von der ständigen Präsenz militärischer Ästhetik in ihrer Heimat Kosovo, stellen die Werke von Flaka Haliti dieser einen transformierten Entwurf gegenüber. Es entstand der von der Künstlerin geprägte Begriff der „demilitarisation of aesthetics“ (dt.: Demilitarisierung der Ästhetik).

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Flaka Haliti, Its urgency got lost in reverse (while being in constant delay) #2, 2019, Foto Fabian Strauch.jpg
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Durch die Neuanordnung von Materialien und Gegenständen, die Haliti ihren ursprünglichen Fundorten, ihrem Zweck und ihrer Zeit entnimmt, entstehen neue Konstellationen, eine anschauliche Reflexion über die Überwindung von Grenzen, über Macht und Identität. Mit feinem Humor und sensibler Poetik regen uns Halitis Werke dazu an, neue Möglichkeiten jenseits der gewohnten Pfade des Denkens in Betracht zu ziehen.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West sowie durch die Duisburger Akzente.

Die Produktion der Kunstwerke erfolgt mit Unterstützung der Stiftung Stark für Gegenwartskunst, der Christine König Galerie und der Galerie Deborah Schamoni.

Die Künstlerin

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Foto: Eike Walkenhorst

Flaka Haliti (*1982 Pristina, Kosovo) studierte Grafikdesign in Pristina und Bildende Kunst an der Städelschule, Frankfurt a. M. Seit 2013 ist sie PhD in Practice-Kandidatin an der Universität für angewandte Kunst, Wien. Mit ihrem Debüt für den Kosovo-Pavillon auf der 56. Biennale in Venedig wurde sie 2015 international bekannt. Sie zeigte ihr Werk in Einzelausstellungen u. a. im mumok – Museum moderner Kunst, Wien (2014), in der Nationalgalerie des Kosovo, Pristina (2014), im Kunsthaus Hamburg (2018), in der Nationalen Galerie der Künste, Tirana (2018), der Cukrarna, Ljubljana (2023) und der Galerie Deborah Schamoni, München (2024). Haliti erhielt u. a. den Henkel Art.Award (2013), den Muslim Mulliqi X Award (2014), den ars viva-Preis für Bildende Kunst (2016), den Ludwig-Gies-Preis und die Shortlist-Nominierung für den Preis der Nationalgalerie, Berlin (2019).

Sculpture 21st

Unter dem Titel „Sculpture 21st” präsentiert das Lehmbruck Museum seit 2014, anlässlich des 50. Jubiläum des Museums, wechselnde Positionen zur zeitgenössischen Skulptur. Einige der wichtigsten Bildhauer:innen der Gegenwart – unter ihnen Tino Sehgal, Jeppe Hein, Julian Opie, Mona Hatoum, Shirin Neshat und zuletzt Peter Kogler – präsentierten in der ikonischen Glashalle des Museums ihre Werke und zeigten, wie sie die Skulptur im 21. Jahrhundert  neu definieren. Die Grenzen der Bildhauerei werden in einem der bedeutendsten Museen für Skulptur in Europa verhandelt, überschritten oder auch gänzlich aufgelöst.

 

Die imposante Nordhalle des Lehmbruck Museums mit ihren über sieben Meter hohen Glasscheiben bildet die architektonische Verbindung zwischen Museum und Öffentlichkeit. Mit jeder weiteren künstlerischen Interpretation dieses Raumes durch die gastierenden Künstler:innen wird die außergewöhnliche Museumsarchitektur Manfred Lehmbrucks stets aufs Neue zu einer einzigartigen Raumerfahrung. Mit jeder neuen Präsentation werden neue Schwerpunkte gesetzt und der Ausstellungsraum neu interpretiert. Durch die Glaswände sind die eindrucksvollen Werke auch außerhalb des Museums im Immanuel-Kant-Park sichtbar und bilden so die Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und musealem Raum. Gerade die Reihe „Sculpture 21st“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Grenzen zwischen Außenwelt und Innenraum aufzulösen und die Öffentlichkeit in die Verhandlungen um die Position der Skulptur mit einzubeziehen.

 

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Statements

Linda Wagner, Kulturdezernentin der Stadt Duisburg:

„Diese Ausstellung ist Ausdruck einer Haltung, die uns als Stadt besonders wichtig ist: Durch Offenheit gegenüber dem Neuen können Herausforderungen auf ungewöhnliche Weise gemeistert werden. Die Werke von Flaka Haliti stehen für Offenheit und Transformation. Die Künstlerin scheut sich nicht davor, Tatsachen anzusprechen, die uns Angst machen. In ihren Installationen gelingt es ihr, die unschönen Seiten der Realität so sichtbar zu machen, dass wir dazu verführt werden, sie genauer zu betrachten.“

 

Dr. Söke Dinkla, Direktorin des Lehmbruck Museums:

„Mit ihrer Inszenierung für die gläserne Halle des Lehmbruck Museums schafft Flaka Haliti ein poetisches Monument. Es verbindet die jüngste Vergangenheit Europas mit der Jetzzeit und zeigt, wie militärische Präsenz ihre Gestalt wechselt. Haliti ist die erste Künstlerin, die die Glashalle in der Reihe „Sculpture 21st“ so bespielt, dass ihr Zentrum frei bleibt. Sie verwandelt ihn in eine Piazza, einen Freiraum, der den Zweifel über seine eigene Wirksamkeit in sich trägt: Wen schließt der öffentliche Raum ein und wen grenzt er aus?“

 

Vera Pues, Stiftung der Sparda-Bank West:

„Die Reihe Sculpture 21st zu fördern bedeutet für uns, kulturelle Vielfalt und künstlerische Innovation sichtbar zu machen. Flaka Halitis Arbeiten verbinden politische Realität mit poetischer Kraft und eröffnen neue Perspektiven auf Freiheit, Verantwortung und Zusammenhalt – Themen, die für unsere Stiftungsarbeit leitend sind. Wir freuen uns, mit unserem Engagement erneut zur Realisierung innovativer künstlerischer Positionen im Lehmbruck Museum beizutragen.“

Über das Lehmbruck Museum

Das Lehmbruck Museum ist das international bedeutendste Museum für Skulptur der Moderne und der Gegenwart in Europa. Seine Sammlung moderner Plastiken von Künstlerinnen und Künstlern wie Alberto Giacometti, Meret Oppenheim, Pablo Picasso, Barbara Hepworth, Rebecca Horn und natürlich Wilhelm Lehmbruck ist europaweit einzigartig. Beheimatet ist das Museum in einem eindrucksvollen Museumsbau inmitten eines Skulpturenparks mit Werken von Bildhauerinnen und Bildhauern wie Alicja Kwade, Julian Opie, Tony Cragg und Dani Karavan.

Namensgeber des Hauses ist der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, der 1881 in Meiderich, heute ein Stadtteil von Duisburg, geboren wurde. Lehmbruck ist einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Er hat mit seinem Werk maßgeblichen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen und ist auch nach seinem frühen Freitod im Jahr 1919 bis heute einflussreich geblieben.

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