Mit „Mika Rottenberg. Queer Ecology“ präsentiert das Lehmbruck Museum die bislang umfassendste Ausstellung der 1976 in Buenos Aires geborenen und heute in New York lebenden Künstlerin Mika Rottenberg in Deutschland. Ihr ebenso surreales wie phantastisches Werk besitzt in Europa Kultstatus, gleichwohl sind ihre Ausstellungen hierzulande ausgesprochene Raritäten.
Mit einem feinen Gespür für das Komische im Ernsten führt Mika Rottenberg uns die Arbeitsbedingungen der heutigen Zeit vor Augen und zeigt dabei die Auswüchse unserer Konsumgesellschaft. Ihre Kunst lässt uns schmunzeln, irritiert und überrascht uns. Die Ausstellung gibt mit mehr als 30 Arbeiten einen repräsentativen Überblick über ihr Werk der letzten zwei Jahrzehnte: Von begehbaren Video-Installationen, über interaktive Werke, die die Besucherinnen und Besucher selbst betätigen können, bis zu ihren neuesten leuchtenden Skulpturen, den Lampshares.
Für ihre Produktion richtet Mika Rottenberg in ihrem Studio erstmals eine eigene Kreislaufwirtschaft ein: Aus gesammeltem Plastik stellt sie farbige Lampenschirme her und kombiniert sie mit einer invasiven Kletterpflanze, die in den Wäldern von Upstate New York zu einer wahren Plage geworden ist. Mika Rottenberg spielt mit vermeintlichen Gegensätzen und zeigt, dass sowohl das Natürliche als auch das Künstliche schädlich und zerstörerisch und zugleich schön und produktiv sein können.
Rottenbergs Werke wirbeln gewohnte Kategorien des Denkens durcheinander. Sie zeigen die Absurdität der Produktion und die prekären Arbeitsbedingungen, insbesondere von Frauen, auf witzige, manchmal bissige und sarkastische Weise, wie etwa in ihrem Schlüsselwerk NoNoseKnows, das 2015 seinen internationalen Erfolg auf der Biennale in Venedig feierte. Hier zeigt Rottenberg Arbeiterinnen einer Perlenzucht in China sowie eine Büroangestellte in einer westlichen Großstadt. Zwei Realitäten und zwei Formen von Arbeit, die unterschiedlicher kaum sein könnten, treffen aufeinander und führen uns vor Augen, dass beide sich wechselseitig bedingen.
Mit ihrem schier unerschöpflichen Erfindungsgeist kombiniert die Künstlerin Film, Installation und Skulptur zu opulenten Werken. Es entstehen kunterbunte Welten, die uns in ihren Bann ziehen und trotz ihrer Fantastik wohlvertraut sind. Die Künstlerin prägt dafür den Begriff des „Sozialen Surrealismus“: „Die Realität ist so viel absurder als jedes meiner Videos“. Es ist diese außergewöhnliche Kombination aus pointierter Analyse der Gegenwart und surrealem Witz, die Rottenbergs Kunst innerhalb der internationalen Kunstwelt unverwechselbar macht.
Der Ausstellungstitel Queer Ecology bezeichnet die für unsere Gegenwart charakteristische Überlagerung von Künstlichem und Natürlichem. Er ist ein Plädoyer dafür, die Komplexität der Natur anzuerkennen und von gewohnten menschlichen Annahmen zu befreien. Der Begriff steht für ein neues Verhältnis von Mensch, Umwelt und Technologie. Mit den Mitteln der Groteske gelingt es den Werken Rottenbergs, unser Denken aus festgefahrenen Polarisierungen zu befreien. Sie zeigt, dass nichts an sich „gut“ oder „böse“, zerstörerisch oder produktiv ist. In dieser neuen Freiheit des Denkens öffnen sich Momente des Menschenmöglichen.
Die Ausstellung wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kunststiftung NRW, der Stadt Duisburg, der Sparkasse Duisburg und der duisport - Duisburger Hafen AG.
Sie erwarb ihren Bachelor of Arts an der School of Visual Arts in New York und schloss 2004 mit einem Master of Fine Arts an der Columbia University ab. 2018 war sie die Gewinnerin des James Dicke Contemporary Artist Prize des Smithsonian American Art Museum, mit dem Künstlerinnen und Künstler unter 50 Jahren ausgezeichnet werden. 2019 erhielt sie den Kurt-Schwitters-Preis des Sprengel Museums Hannover.
Rottenbergs Werke befinden sich in zahlreichen bedeutenden Museen und öffentlichen Sammlungen, darunter das Brooklyn Museum, New York; das Institute of Contemporary Art, Boston; das Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington DC; das Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk; das Metropolitan Museum of Art, New York; das Museum of Modern Art, New York; das San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco; das Solomon R. Guggenheim Museum, New York; das Moderna Museet, Stockholm; die Tate, London; und das Whitney Museum of American Art, New York.
Ihre Arbeiten wurden in wichtigen Institutionen ausgestellt, darunter das Museum of Modern Art, New York, die Biennale von Venedig (2015) und das National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul. Einzelausstellungen hatte sie u. a. im Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, im New Museum, New York, im Palais de Tokyo, Paris, im Goldsmiths Centre for Contemporary Art, London, und im Museum of Contemporary Art Chicago.
„Mika Rottenbergs Fantasiewelten lösen Irritationen aus, machen Widersprüche sichtbar und stellen damit unsere Überzeugungen infrage – auch hinsichtlich des Umgangs mit dem Wachstumwahn. Die Ausstellung des Lehmbruck Museums bietet eine seltene Gelegenheit, das ganze Spektrum von Rottenbergs Werk in Deutschland zu sehen. Es umfasst Video, Skulptur und raumgreifende Installationen und verbindet sie zu immersiven Erlebnissen. Die Kulturstiftung des Bundes freut sich, dieses exzellente Projekt zu unterstützen.“
Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg, Präsident der Kunststiftung NRW, und Dr. Andrea Firmenich, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW:
„Es ist die Mission der Kunststiftung NRW, sich für eine international herausragende Kunstszene in Nordrhein-Westfalen einzusetzen. Die Ausstellung der Werke von Mika Rottenberg entspricht dieser Zielsetzung in idealer Weise: Sie bringt die international renommierten Arbeiten der in Argentinien geborenen und in New York lebenden Künstlerin nach Nordrhein-Westfalen. Ihr Werk handelt von den Wechselwirkungen zwischen Körper, Ökonomie und Umwelt und macht sie auf einzigartige Weise sinnlich und intellektuell erfahrbar. Als Kunststiftung NRW sind wir sehr erfreut, die umfassendste Überblicksausstellung der Künstlerin in Deutschland zu unterstützen, die zugleich eine ihrer umfangreichsten Präsentationen weltweit ist. Als bedeutender internationaler Kulturstandort ist Nordrhein-Westfalen prädestiniert, das Zusammenspiel ihrer Videoarbeiten, kinetischen Skulpturen und filmischen Rauminstallationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
„Eins der wichtigsten Themen unserer Zeit ist unser Umgang mit den Ressourcen der Natur. Es ist eine besondere Kunst, diese Themen so anzusprechen, dass wir uns für sie öffnen. Der Künstlerin Mika Rottenberg gelingt dies auf überraschende Weise. Für mich als Dezernentin, deren Aufgabenfeld sowohl Kunst als auch Umwelt umfasst, ist es ein Vergnügen zu sehen, wie die Werke Mika Rottenbergs das Natürliche und das Künstliche miteinander verweben und uns alle inspirieren. Mika Rottenberg zeigt mit ihren leuchtenden Skulpturen aus recyceltem Plastik, wie wir gewohnte Denkmuster hinter uns lassen kann können, um wirklich etwas zu verändern. Diesen Mut, vertraute Pfade zu verlassen, bewundere ich sehr.“
„Das Lehmbruck Museum trifft mit der Ausstellung der weltweit viel beachteten Künstlerin Mika Rottenberg den Puls der Zeit. Als langjährige Unterstützerin freut es uns besonders, dass Duisburg mit dieser Schau und ihren brandaktuellen Themen im Zentrum des internationalen Kunstlebens steht. Mika Rottenbergs Kunst bringt uns dazu, über unsere eigene Rolle in dieser vernetzten Welt nachzudenken und Verantwortung für unser Tun zu spüren. Verantwortung zu übernehmen, ist auch unser Anspruch. Daher haben wir auch in diesem Jahr die Nachhaltigkeitsstiftung der Sparkasse Duisburg ins Leben gerufen.“
„Die Werke der Künstlerin Mika Rottenberg sind eine spannende Reise zwischen Körper und Kapital, manchmal absurd, manchmal poetisch, manchmal auch ein bisschen irritierend, aber immer wieder faszinieren und verblüffen ihre Arbeiten uns mit skurrilem Witz. Es gibt für Rottenberg keinen Stillstand, alles ist in Bewegung – Sie zeigt, wie unsere Welt funktioniert und was sie uns abverlangt. Als Duisburger Hafen AG (duisport) freuen wir uns sehr, diese Ausstellung logistisch unterstützen zu dürfen.“
„Die Werke Mika Rottenberg verführen uns: Sie ziehen uns hinein in Welten, in denen sich das Alltägliche, das Rationale, verbindet mit dem Fantastischen, dem, was sich unserer Vernunft entzieht. Wir erleben eine faszinierende Gleichzeitigkeit von Dingen und Ereignissen, die für uns bisher unvereinbar waren. Wie in einem Brennglas erkennen wir darin unsere heutige Welt. Der Effekt ist überraschend: Wir öffnen uns für Denkweisen, die neu sind und die uns aus einigen der Dilemmata unserer Zeit hinaus führen können. Queer Ecology steht für die Befreiung des Denkens in Gegensätzen. Es ist ein Plädoyer dafür, die fließenden Übergänge wertzuschätzen, die unsere freie Gesellschaft ausmachen.“
Der begleitende Katalog mit Texten von Dr. Söke Dinkla, Sophie Haslinger und Heather Davis beleuchtet verschiedene Facetten von Mika Rottenbergs Oeuvre. Durch diverse Werktexte erlangen Lesende ein tieferen Einblick in das Schaffen und die Ausdrucksweise einer Künstlerin, deren faszinierende, surrealen Welten genreübergreifend uns mit der Realität unserer eigenen, hyperkapitalistischen Realität konfrontieren.
Genau wie die Ausstellung „Queer Ecology“ und die Arbeiten Mika Rottenbergs bietet das Begleitprogramm eine große Fülle von interaktiven und humorvollen Veranstaltungen, die uns dazu verführen, über die Rolle des Menschen in der Welt neu zu denken. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der Veranstaltungen aus unserem Begleitprogramm. Aktuelle Informationen und Veranstaltungen werden auf der Website des Lehmbruck Museums (www.lehmbruckmuseum.de) veröffentlicht.
Das innovative Bildungsprojekt »Deine City – Dein Museum« eröffnet Bürgerinnen und Bürgern ausgewählter Duisburger Stadtteile kostenlosen Zugang zu Kunst und Kultur. Dieses Mal sind die Menschen im Stadtteil Ruhrort zu einem kostenfreien Museumsbesuch eingeladen.
Remote ist Mika Rottenbergs erster Spielfilm, den sie gemeinsam mit dem in Los Angeles lebenden Autor, Produzenten, Kameramann und Regisseur Mahyad Tousi produzierte. Der Film zeigt die tiefere Bedeutung von Gemeinschaft und Isolation in einer immer künstlicher werdenden Welt und das einzigartige Gefühl kollektiver Erfahrung.
Die Dragqueens Agnieszka Dutkiewicz und Fiona Fabulous, bekannt als Diamond Dust – Queens of Sparkling Nights, bieten eine ganz besondere Führung durch die Ausstellung. Außergewöhnlich, queer und unterhaltsam ist ihr Blick auf die Kunst von Mika Rottenberg. Mit Charme, Witz und schillerndem Kopfschmuck sprechen sie über Themen wie Identität, Körper und Künstlichkeit.
Über das Lehmbruck Museum
Das Lehmbruck Museum ist das international bedeutendste Museum für Skulptur der Moderne und der Gegenwart in Europa. Seine Sammlung moderner Plastiken von Künstlerinnen und Künstlern wie Alberto Giacometti, Meret Oppenheim, Pablo Picasso, Barbara Hepworth, Rebecca Horn und natürlich Wilhelm Lehmbruck ist europaweit einzigartig. Beheimatet ist das Museum in einem eindrucksvollen Museumsbau inmitten eines Skulpturenparks mit Werken von Bildhauerinnen und Bildhauern wie Alicja Kwade, Julian Opie, Tony Cragg und Dani Karavan.
Namensgeber des Hauses ist der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, der 1881 in Meiderich, heute ein Stadtteil von Duisburg, geboren wurde. Lehmbruck ist einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Er hat mit seinem Werk maßgeblichen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen und ist auch nach seinem frühen Freitod im Jahr 1919 bis heute einflussreich geblieben.
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