Ausstellung zum 60. Jubiläum des Lehmbruck Museums
Mit der Schirmfrau Bundestagspräsidentin Bärbel Bas
Aus Begeisterung über das erste Museum moderner Skulptur in Europa sicherte Henry Moore dem Lehmbruck Museum 1965 je ein Blatt all seiner künftig entstehenden Grafiken zu. Er würdigte das Museum als eine „bemerkenswerte Errungenschaft“ und legte damit den Grundstein für eine der weltweit größten Sammlungen seines grafischen Werks. Anlässlich des 60. Jubiläums des Lehmbruck Museums zeigt die Ausstellung eine repräsentative Auswahl dieser Blätter im Dialog mit ausgewählten Skulpturen. Sie nimmt uns mit auf eine Reise in die Bildwelten eines der größten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Denn mit seinen monumentalen Skulpturen prägte Henry Moore die Kunst weltweit. Sie sind Ausdruck der Sehnsucht nach einer freien, zunehmend abstrakten Form, die uns zum freien Denken inspiriert und vielfältige Assoziationen zulässt.
Die Ausstellung führt durch die großen Themenkomplexe in Moores Œuvre. In seinen Werken stehen die menschliche Figur und ihre Beziehung zur Natur im Zentrum. Sie zeichnen sich durch eine harmonische Verbindung organischer und geometrischer Formen aus und reflektieren ein tiefes Interesse an universellen menschlichen Erfahrungen. Mit seinen charakteristischen Liegenden Figuren, Mutter-Kind-Darstellungen und zahlreichen Mappenwerken zeigt die Ausstellung außerdem die enorme Formenvielfalt seines Schaffens. Dabei entfalten die grafischen Arbeiten eine bemerkenswerte Autonomie. In seinen Mappenwerken Sheep (1972/74), Trees (1979) und Elephant Skull (1969/70) zeigt sich die tiefe Bewunderung des Künstlers für die Zyklen der Natur und die organischen Formen der Tier- und Pflanzenwelt. Asymmetrie ist in seinen Augen ein Symbol des Lebens. So verhindern Wachstum und Umwelteinflüsse in der Natur eine absolute Symmetrie. Diese „natürliche“ Asymmetrie spiegelt sich auch in Moores Arbeiten wider. In seinen detaillierten Studien der Umwelt erkundet er das Spannungsfeld zwischen natürlicher Struktur und künstlerischer Abstraktion.
Über seine beeindruckende Präsenz in diversen Museen und Sammlungen hinaus ist Henry Moore weltweit mit verschiedenen Skulpturen im öffentlichen Raum vertreten. Studien für Denkmäler und groß angelegte, öffentliche Skulpturen offenbaren die Ursprünge vieler ikonischer Werke. Aus seinen Skizzen und Modellarbeiten im Atelier entwickelte Moore teils großformatige Skulpturen für den Außenraum, die mit der Natur und den Betrachtenden in körperliche Interaktion treten. Besuchende erhalten einen einzigartigen, intimen Eindruck von Moores Schaffen.
Anlässlich des 60. Jubiläums des Museums macht die Ausstellung die enge Verbindung zwischen Henry Moore und dem Lehmbruck Museum deutlich. Sie bietet einen tiefen Einblick in die kreative Kraft und Vielseitigkeit eines Künstlers, dessen Werk die Kunstwelt bis heute prägt. Die Werke in der Ausstellung zeigen Moores Fähigkeit, organische Formen in unterschiedlichsten Größendimensionen zu realisieren, von filigranen Zeichnungen bis zu imposanten Skulpturen im öffentlichen Raum. Bis heute beeinflusst sein Schaffen Generationen von Künstlerinnen und Künstlern, seine Werke und seine Sichtweise auf die Welt haben an Aktualität und Relevanz nichts verloren.
Henry Moore (*30. Juli 1898 in Castleford, Yorkshire) wuchs als siebtes von acht Kindern in einer Bergarbeiterfamilie auf und entwickelte schon früh ein Interesse an Kunst. Er erhielt ein Stipendium, das ihm ermöglichte, die höhere Schule zu besuchen. Nach seinem Dienst im Ersten Weltkrieg begann er 1919 ein Studium der Bildhauerei am Leeds College of Art, das er ab 1921 am renommierten Royal College of Art in London fortsetzte.
1922 reiste Moore zum ersten Mal nach Paris. In dieser Zeit fertigte er seine erste Mutter-Kind-Skulptur an – ein Thema, das er immer wieder aufgreifen wird. 1929 begann er mit der Arbeit an seinen Liegenden Figuren, einem weiteren zentralen Motiv seines Gesamtwerks.
1930 erlebte Moore seinen ersten internationalen Erfolg, als er gemeinsam mit Kollegen den britischen Pavillon auf der 17. Biennale in Venedig bespielte. 1932 übernahm er die Leitung des Fachbereichs Bildhauerei an der Chelsea School of Art in London. In dieser Zeit schloss er sich der avantgardistischen Künstler:innengruppe Unit One an, zu der auch Barbara Hepworth gehörte.
Moores Schaffen wurde durch die politischen Umstände seiner Zeit geprägt: Während des Zweiten Weltkriegs besuchte er die als Luftschutzbunker dienenden Londoner U-Bahn-Stationen und hielt die Eindrücke in seinen Shelter Drawings (Bunkerzeichnungen, 1940-41) fest. Sie verhalfen ihm zu großer internationaler Anerkennung und veranlassten das War Artists' Advisory Committee, Henry Moore zum offiziellen Kriegskünstler zu ernennen.
1948 erhielt Moore den internationalen Preis für Skulptur auf der 24. Biennale von Venedig. In den folgenden Jahren nahm er an bedeutenden internationalen Ausstellungen teil, darunter die erste documenta in Kassel 1955. 1977 wurde Moore vom deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt beauftragt, eine große Skulptur für das Bundeskanzleramt in Bonn zu fertigen. Seine Large Two Forms wurden schließlich 1979 vor dem Bundeskanzleramt aufgestellt.
1977 gründete Moore die Henry Moore Foundation, die sich bis heute der Förderung der bildenden Kunst widmet. Seine Skulpturen und grafischen Werke waren zu der Zeit bereits weltweit in zahlreichen Museen und Ausstellungen zu sehen, darunter das Lehmbruck Museum in Duisburg, das drei seiner Skulpturen und eine der weltweit größten Sammlungen seines grafischen Werks beheimatet. 1974 widmete das Lehmbruck Museum Henry Moore eine große Einzelausstellung.
„Die Ausstellung Henry Moore - For Duisburg ist eine Hommage - eine Ehrerweisung des Bildhauers Henry Moore an die Stadt Duisburg und an ihre Entscheidung, mit dem Lehmbruck Museum ein bedeutendes europäisches Museum für die internationale Skulptur zu erbauen. Das Jubiläumsjahr ist genau der richtige Zeitpunkt, um den Reichtum dieser Sammlung in einer umfassenden Ausstellung öffentlich zu präsentieren und unsererseits zu würdigen.“
„Die Werke Henry Moores sind Ausdruck der Sehnsucht nach einer freien, zunehmend abstrakten Form. Sie inspirieren uns zum freien Denken und stehen für die Befreiung von den Zwängen des totalitären Regimes: Die Abkehr von der Gegenständlichkeit wird zum Synonym für Freiheit im Denken und Handeln.
Es ist vor allem das grafische Werk, das uns die kaum bekannten Seiten des großen Bildhauers eröffnet. So erweist sich die Werkschau mit mehr als 35 Lithografien, 31 Radierungen, 5 Zeichnungen und exemplarischen Skulpturen als eine große Entdeckung.“
Begleitend zur Ausstellung lädt das Lehmbruck Museum zu einer Reihe von Veranstaltungen ein. Aktuelle Informationen werden auf der Website des Lehmbruck Museums veröffentlicht: www.lehmbruckmuseum.de
Kurator:innenführungen
Sonntag, 10. November 2024, 14 Uhr, mit Sarah Louisa Henn, Kuratorin
Sonntag, 1. Dezember 2024, 14 Uhr, mit Luca Lienemann, kuratorischer Assistent
Öffentliche Sonntagsführungen
10. November 2024, 1. Dezember 2024, 8. Dezember 2024, 22. Dezember 2024, 5. Januar 2025, 19. Januar 2025, jeweils 11.30 Uhr
Über das Lehmbruck Museum
Das Lehmbruck Museum ist das international bedeutendste Museum für Skulptur der Moderne und der Gegenwart in Europa. Seine Sammlung moderner Plastiken von Künstlerinnen und Künstlern wie Alberto Giacometti, Meret Oppenheim, Pablo Picasso, Barbara Hepworth, Rebecca Horn und natürlich Wilhelm Lehmbruck ist europaweit einzigartig. Beheimatet ist das Museum in einem eindrucksvollen Museumsbau inmitten eines Skulpturenparks mit Werken von Bildhauerinnen und Bildhauern wie Alicja Kwade, Julian Opie, Tony Cragg und Dani Karavan.
Namensgeber des Hauses ist der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, der 1881 in Meiderich, heute ein Stadtteil von Duisburg, geboren wurde. Lehmbruck ist einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Er hat mit seinem Werk maßgeblichen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen und ist auch nach seinem frühen Freitod im Jahr 1919 bis heute einflussreich geblieben.
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